mal wieder Deutschland
Es gab da mal eine Diskussion über die Frage, ob ich und ihr alle auch Deutschland seid, oder nicht. Das findet ihr hier und hier.
Ich hatte das ein bißchen verdrängt und deshalb nicht mehr geantwortet - aber ganz vergessen habe ich das doch noch nicht.
Lieber Libertas,
du schreibst: "Aber zu den „Verträgen“ gehört auch, z. B. Steuern zu zahlen in diesem Staat Deutschland." Genau das habe ich gemeint, als ich schrieb: "Dieses System, was einfach auf verschiedenen "Verträgen" beruht, kann auch ohne Nation funktionieren." und "Ja, ich halte es für selbstverständlich Leistungen des Staates in Anspruch zu nehmen und zwar deshalb, weil ich genauso selbstverständlich Steuern zahlen werde, wenn ich Geld verdiene."
"Staat und Nation sind nicht so einfach zu trennen, da sich hier die Nation im Staat organisiert." Ja, viele Leute kriegen es definitiv nicht hin in ihrem Kopf zwischen Staat und Nation zu unterscheiden. Das liegt sicherlich einerseits an der Tatsache, die du hier benennst, andererseits aber auch daran, dass in der Presse, Politik und Öffentlichkeit dazwischen nicht unterschieden wird. Und eben das ist Nationalismus.
Wenn du schreibst: "Ich meine, weder Sozialismus noch Nationalismus sind gute Ideen." frage ich mich, ob du dir das wirklich überlegt hast. Denn nichts anderes als Nationalismus verteidigst du in den zwei comments.
Dann schreibst du: "Und damit – und die Steuerzahlung ist da nur ein Apekt unter vielen – bin ich auch Teil von Deutschland. Oder – verkürzt – bin ich Deutschland, da ich hier am Leben teilnehme und dazu beitrage." Wieso ist "ein Teil von Deutschland sein" = "Deutschland sein"? Wie kommst du zu dieser Schlussfolgerung?
Jetzt zu deiner Aussage: "Es hat niemand behauptet, daß die Leistungsfähigkeit eines Menschen von seinem Paß abhängt." Wie ich schon sagte, die Aufforderung der Kampagne: "Bring die beste Leistung zu der du fähig bist." und so weiter, ist ja gut und richtig. Die Begründung ist das seltsame: Natürlich wird das in der Kampagne nicht in einem Satz gesagt, aber was doch rüberkommen soll in Sätzen wie "Doch einmal haben wir schon gemeinsam eine Mauer niedergerissen." ist doch, dass DU so toll bist, weil du Deutsche/r bist. Auch nichts schlimmes - sagst du - verheerend ist halt bloß die Schlussfolgerung, die man ziehen muss, wenn man ein bißchen weiterdenkt, dass andere halt nicht so viel können, weil sie nicht Deutsche sind. Das mit dem Pass bezog sich auf deinen Hinweis mit dem schwarzafrikanischen deutschen Staatsbürger in der Kampagne.
"Ich finde es ist normal, sich einer „Gemeinschaft“ zugehörig zu fühlen und dies auch ausdrücken zu können." Soweit kann ich den Satz auch unterschreiben. Die Frage ist bloß, wieso man sich einer Gemeinschaft und zwar genau dieser zugehörig fühlt. Und da muss ich sagen, es ist Zufall, in welchem Staat man geboren wird, welche Staatsangehörigkeit man hat. (Jetzt mal abgesehen von denen, die sich bewusst dafür entscheiden und sich in Zukunft noch bewusster entscheiden sollen.) Genauso wenig habe ich mir bewusst ausgesucht 96-Fan zu werden. Ich würde das aber auch nicht als "Gemeinschaft" ansehen. Bei anderen Gemeinschaften entscheidet man selber, ob man dazu gehört oder nicht und dann tue ich das anhand bestimmter Werte oder Meinungen. Deshalb meine Frage an dich: Was für Werte o.ä. siehst du in Deutschland, die du nirgendwo anders findest, so dass du dich gerade dieser "Gemeinschaft" zugehörig fühlst?
Um das mit den guten Ideen nochmal zu unterstreichen: Ich finde auch Religionen "gute Ideen", auch wenn im Namen von Religion sehr viel Mist gebaut wird und wurde.
Ich freue mich auf eine Antwort...
3 Comments:
Also, ich fänd's super "typisch Klowand" zu sein.
Ich find das dööfste an dieser Kampagne eigentlich, dass man sich für Deutschland anstrengen soll (so hab ich's mal verstanden..)
Wenn ich mich jetzt irgendwie anstrenge, dann für mich oder auch um anderen Menschen zu helfen, aber doch nicht für Deutschland..
Naja, ich möchte mich aber nicht einmischen, da ich eh nicht so viel Hintergrundwissen wie ihr habe & mich auch nicht auf so hohem Niveau unterhalten könnte ;)
Ich habe meine Meinung trotzdem geäußert, egal, ob sie wen interessiert ^^
Liebe NTess,
mir scheint, wir müssen erst einmal definieren, über welchen „Nationalismus“ wir hier schreiben. In einer weiten Auslegung würde ich den Begriff auch nicht von vornherein negativ belegen. So kann die Bewegung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland (Hambacher Fest, Paulskirche etc.) sicherlich als Nationalismus bezeichnet werden; aber sie war auf Einigung und Demokratie hin ausgerichtet, hatte also einen nach innen gerichteten Impuls. In unserem heutigen Sprachgebrauch ist dieser Aspekt allerdings weder vorherrschend oder überhaupt präsent. Wenn heute von Nationalismus gesprochen wird, ist doch der nach außen gerichtete Impuls gemeint, also die wie auch immer geartete Äußerung – von verbal bis kriegerisch und zum Genozid – einer Überlegenheit gegenüber anderen Nationen. Begriffsbedeutungen ändern sich also im Zeitablauf. Johannes Rau hat es einmal so formuliert: „Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt. Ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet.“ In diesem Sinne habe ich formuliert und unterschieden. Und in diesem patriotischen Sinn sehe ich auch die Kampagne bis zum Beweis des Gegenteils.
Das Beispiel des Niederreißens einer oder besser der Mauer sagt doch nicht, daß Deutsche besser sind als andere, sondern daß ein Problem – bei allen noch immer vorhandenen Schwierigkeiten – im Grunde vernünftig gelöst werden kann, wenn sich die Menschen in der Nation gemeinsam dazu anstrengen. Herauszulesen, daß das Niederreißen der Mauer die Deutschen z. B. den Koreanern überlegen macht, weil die ja noch ihren 37. Breitengrad haben, ist doch wohl überinterpretiert. Auf eine solche Idee käme ich überhaupt nicht; gegenüber Eisbein oder Sauerfleisch bevorzuge ich so manches koreanische Gericht, auch finde ich einige Koreanerinnen weitaus attraktiver als einige Deutsche.
Du zitierst meinen Satz mit „bin ich Deutschland“. Davor steht das Wort „verkürzt“, womit zum Ausdruck kommt, daß der Titel der Kampagne ein sprachlich verkürzendes Stilmittel ist. Da finde ich den Satz „Wir sind Papst!“ weitaus weniger gelungen, denn dies möchte ich weder der Römisch-Katholischen Kirche noch einem Protestanten zumuten. Wenn Du in einer Gruppe mit Teilnehmern aus verschiedenen Ländern zusammenkommst oder ins Ausland reist, „bist Du Deutschland“, denn in dieser Konstellation wirst Du bewußt oder unbewußt Deutschland repräsentieren. Mit dem Zufall, daß Du Deutsche bist, wirst Du dabei nicht ausweichen können, denn dieser Zufall ist Deine Realität. Einfacher hast Du es natürlich, wenn Du Dir beim nächsten Spiel von Werder Bremen einen grünen Schal umhängst und Klose bejubelst, sollte er bei 96 einen reinhängen (Hähä, würg. Aber das wäre wohl ein Tiefpunkt, den ich Dir nicht unterstelle.). Auch als einzigartig individueller Mensch wirst Du nicht die Bezüge zu anderen ohne weiteres lösen können, sei es nun die Familie, Mitstudierende, Freundeskreise, Vereine oder aber die Nation und der Staat.
Deine Frage nach ausschließlich in Deutschland vorhandenen Werten ist nicht zu beantworten. Natürlich könnte ich mich wahrscheinlich auch Österreich, der Schweiz, Liechtenstein, Dänemark, Luxemburg oder Belgien zugehörig fühlen, aber meine Realität ist halt – in dieser staatlichen Abgrenzung – Zeit meines bisherigen Lebens Deutschland. Aber ich will nicht nur relativieren: Ich verdanke diesem Land bzw. seinen Menschen doch einiges, so z. B. daß ich in Frieden aufwachsen, eine Ausbildung abschließen, einen auskömmlichen Beruf ergreifen und meine Meinung äußern konnte und kann.
Jetzt mal eine Frage an Dich: Wenn Du Religionen generell als „gute Ideen“ bezeichnest, wie versteht Du dann Deine Katholizität, wie verstehst Du z. B. das Glaubensbekenntnis (Kann das eine „Idee“ sein?) im Verhältnis zu den anderen Religionen?
Ich muß mich korrigieren: Natürlich handelt es sich in Bezug auf Korea um den 38. Breitengrad.
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